Ein
Märchenspiel hatte ich dieses Frühjahr bereits vorgestellt. Nun also das nächste:
Woodlands von
Ravensburger. Aber
Woodlands lässt sich mit
Fairy Tile nicht wirklich vergleichen.
Zwar handelt es sich bei
Woodlands wieder um
Legespiel mit Märchenthema, bei dem Ziele erreicht werden wollen, aber vielmehr ist Woodlands - das vor kurzem erst auf die
Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres gesetzt wurde - einem
Puzzle unter Zeitdruck.
Passend zu einem von
vier Märchen erleben die Hauptakteure mehrere
Abenteuer: sie müssen Objekte und Edelsteine einsammeln, Schätzen finden und öffnen, sich vor Bösewichten in Acht nehmen, Gegner bekämpfen und stets das Feuer im Auge behalten. Und das alles durch die Auslage von neun
Wegeplättchen und stets mit Blick auf die
laufende Sanduhr …
Woodlands - Wege puzzeln unter Zeitdruck
In
Woodlands müssen unsere
Helden verschiedene Abenteuer erleben:
Rotkäppchen will die Oma besuchen,
Robin Hood den hinterlistigen Sheriff von Nottingham beklauen,
König Artus Britannien retten und
Jonthan Harker vor
Dracula fliehen. Jedes dieser Abenteuer wird über mehrere Runden bestritten, bei denen es stets Ziel ist,
die meisten Punkte zu sammeln.
Jedes Abenteuer (bzw.
Märchen) besteht aus verschiedenen
Kapiteln, die durch
bunt bedruckte Klarsicht-Folien dargestellt werden. Haben sich alle Mitspieler auf eines der Märchen geeinigt, dann werden die entsprechenden Folien (4-5 Stück) sowie die passende Hauptfigur bereitgelegt. Dazu erhält jeder Spieler eine
Spieltafel (diese zeigt einen quadratischen Wald bestehend aus 9 Feldern) sowie einen identischen Satz von 12
Wegeplättchen.
Hinzu kommen noch
Schlüsselplättchen,
Schatzkarten, viele bunte
Edelsteine sowie eine
Sanduhr, die zunächst neben dem Spielplan bereitgelegt werden.
Das Regelheft liefert zu jedem Märchen einen
kurzen Prolog, der von einem der Mitspieler vorgelesen werden sollte. Danach wird die erste Folie (seitlich durch die Kapitelnummer markiert) in der Tischmitte, für alle gut sichtbar, auf der weißen Folienunterlage platziert. Diese
Kapitelfolie nun zeigt ebenfalls ein Raster bestehend aus
neun Feldern (passend zu den Spielertafeln) sowie am Rand Informationen zur
Aufgabenstellung. Jedes Märchen/Kapitel sieht anders aus und hat andere Ziele. Diese sind in der Regel detailliert beschrieben und sollten ebenfalls allen Mitspielern zur Rundenbeginn laut vorgelesen werden.
Nachdem alle Mitspieler sich kurz auf der Folie orientiert haben (wo ist der Hauptcharakter, wo die Ziele, was gilt es zu vermeiden) wird die
Sanduhr umgedreht und gleichzeitig losgepuzzelt. Der
erste Spieler, der alle 9 Plättchen platziert hat und mit seinem Ergebnis zufrieden ist ergreift die Sanduhr. Ist diese bereits durchgelaufen, dann wird sie nochmals umgedreht - alle Mitspieler haben nun noch 45 Sekunden Zeit ebenfalls fertig zu puzzeln. Ist die Sanduhr noch nicht durchgelaufen, dann wird dies vor dem Umdrehen abgewartet. D.h. jeder Spieler hat
mind. 90 Sekunden Zeit um das
Legerätsel zu lösen.
Abschließend wird
ausgewertet:
Jedes der
Wegplättchen ist gedanklich in
9 kleinere Quadrate unterteilt. Diese zeigen entweder
Weg oder Wald und sehen alle unterschiedlich aus. Im ersten Kapitel des ersten Märchens geht es darum, Rotkäppchen auf einem durchgängigen Pfad von Ihrem Ausgangsort zum Wegweiser mit der Oma zu führen.
Dafür bekommt man 3 Punkte. Sammelt man unterwegs noch ein paar Erdbeeren ein, erhält man zusätzlich noch einen Punkt pro Erdbeere. Umwege zw. Start und Ziel sind erlaubt, d.h. man muss die Erdbeeren nur erreichen, kann danach aber auch wieder umkehren. Wälder jedoch versperren den Weg. Zusätzlich kann noch ein gelber Edelstein eingesammelt werden, der bringt am Spielende Punkte. Ebenso erhält der
erste Spieler einen durchsichtigen Edelstein (Joker für die Endabrechnungen).
Zur Überprüfung, ob und wieviel Punkte jeder Spieler erhält, wird die
Klarsichtfolie in der richtigen Ausrichtung (hier hilft das Pergament mit den Aufgaben an der Seite des Plans)
auf die Spielpläne gelegt. Jedes
unbedeckte Feld auf dem Spielplan zählt übrigens als Wald und bringt pauschal einen
Minuspunkt.
Ab Kapitel 2 kommen
Schlüssel und Schätze ins Spiel: für jeden eingesammelten Schlüssel kann man eine Schatztruhe öffnen (=Schatzkarte). Diese Schatzkarten werden nach Erhalt laut vorgelesen und bringen entweder Vorteile für einen selbst oder Nachteile für einen der Mitspieler. So verfluchen sie z.B. dazu im Folgekapitel spezielle (verhexte) Wegeplättchen zu verwenden oder bereits gesammelte Edelsteine wieder abzugeben. Hinzu müssen die
punktestärksten Mitspieler ab sofort noch ein Sonderobjekt (
Kelch des Ruhms) einsammeln, sonst verlieren sie am Ende eines Kapitels 3 Punkte. Und
Feuer gilt es stets auf dem Weg zu platzieren. Denn brennt der Wald, gibt es ebenfalls
3 Punkte Abzug.
Im weiteren Verlauf des Rotkäppchen-Märchens gilt es dem Wolf auszuweichen und giftige von ungiftigen Pilzen zu unterscheiden um Punkte zu kassieren.
Nachdem
alle Kapitel eines Märchens durchgespielt wurden (d.h. nach 4 - 5 Runden) werden die gesammelten Punkte addiert. Für jeden
gesammelten Edelsteine gibt es einen Zusatzpunkt und für jedes komplette Set aus vier unterschiedlichen Edelsteinen nochmals einen Bonuspunkt. Gewonnen hat der Spieler mit den meisten Punkten und darf sich ab sofort Bezwinger der
Woodlands nennen.
Woodlands - Langes Grübeln gibt's hier nicht
Vor einigen Jahren gab es schonmal so ein Spiel mit
Folien-Aufgaben, das mir durchaus gut gefallen hat. In
Loony Quest von
Libellud jedoch galt es
unter Zeitdruck mit Folienstiften einen durchgehenden Strich zu malen, der im Anschluss auf eine Aufgabenkarte gelegt wurde. Auch hier ging es darum über mehrere Runden (Aufgaben) hinweg Objekte einzusammeln und dabei möglichen Gefahren aus dem Weg zu gehen. Der Vergleich zu
Woodlands ist also durchaus gegeben. Jedoch waren Zeichenschwache mit zittrigen Fingern hier deutlich überfordert und ohne räumliche Wahrnehmung ging bei Loony Quest gar nix.
Auch bei
Woodlands kommt man ohne
räumliche Vorstellungskraft nicht weit, jedoch braucht man hier keine ruhige Hand zum Malen eines einzelnen ununterbrochenen Weges. Bei Woodland
führen viele Wege zum Ziel und das macht den einen entscheidenden Unterschied. Der
Wiederspielreiz bei Loony Quest war schnell verflogen, Wiederholungstäter hatten hier immer einen klaren Vorteil gegenüber Anfängern. Dies lässt sich zwar für Woodlands auch nicht ganz verleugnen, aber immerhin müssen hier 9 aus 12 Kärtchen passend platziert werden und selbst nach einigen Partien, merke ich mir die Platzierung nicht auswendig.
Außerdem hält das Spiel für
Experten eine
Variante parat: die
Rückseite der Wegeplättchen zeigt neben dem bekannten Wald und Weg noch
Wasser und
Dorngestrüpp. Wasser wird wie Weg behandelt, sieht jedoch schonmal anders aus und verwirrt beim Auslegen der Plättchen. Das Dorngestrüpp hingegen ist undurchdringlich, verhält sich aber sonst wie Wald, d.h. es brennt, wenn es mit Feuer in Berührung kommt. Spielen Fortgeschrittene mit Anfängern, so können diese zum Ausgleich mit der Rückseite der Wegeplättchen spielen.
Jedes Märchen ist komplett anders, die Zielstellung von Kapitel zu Kapitel unterschiedlich. So
steigt der Anspruch der Aufgaben von Märchen zu Märchen und von Kapitel zu Kapitel. Im Verlauf kommen auch noch einige
zusätzliche Regeln ins Spiel, aber die werden nach und nach eingeführt.
Woodlands ist definitiv
nichts für Grübler. Lässt einen das erste Märchen (Rotkäppchen) noch im Glauben, dass man problemlos stets alles Ziele erreicht, wird man schon ab Märchen zwei eines Besseren belehrt. Vielleicht ist es tatsächlich möglich mit den Wegekärtchen alle Ziele zu erreichen und jedem Bösewicht aus dem Weg zu gehen ... aber dafür REICHT NUNMAL DIE ZEIT EINFACH NICHT!! Hinzu kommen die
Schätze, die zwar nicht in allen Kapiteln vorkommen, aber dennoch für
Abwechslung und Interaktion mit den Mitspielern sorgen, in einem ansonsten interaktionsfreien Spiel.
Sollte man tatsächlich der Meinung sein, nach etlichen Partien
Woodlands alles gesehen zu haben, schafft
zusätzliches Spielmaterial Abhilfe. Zwei
Zusatzfolien können unter die Abenteuer platziert werden und bringen zusätzliche Aufgaben ins Spiel: die sogenannten
Meisterfolien zeigen zum einen Einhorn und gute Fee und zum anderen den Waldschrat. Erreicht man das Einhorn gibt es Bonuspunkte, die Fee will zur Rose, aber nur im Wald. Der Waldschrat hingegen blockiert einen Teil des Weges und der böse Geist verfolgt einen auf allen Wegen.
Die Folien bei Woodlands sind wirklich gut gemacht, die ganze
Grafik absolut ansprechend. Die Wegeplättchen haben eine ordentliche dicke, auch wenn die Spielpläne und die Schatzkarten für meinen Geschmack etwas stabiler hätten ausfallen können. Die Hauptakteure sind lediglich kleine
Pappaufsteller. Das stört aber nicht weiter, da sie eh keine wichtige Rolle spielen. Sie können lediglich dazu herbeigezogen werden, die Pfade vom Start zu den einzelnen Zielen abzulaufen. Das kann man machen, kann aber auch komplett darauf verzichten.
Die Märchen und die einzelnen Kapitel wurden in die
Spielregel integriert, schöner hätte ich es gefunden, wenn man für jedes Märchen ein extra Spielseite beigelegt hätte. (z.B. in Buchform).
Als
Problem in der Praxis hat sich tatsächlich die
Ausrichtung der Aufgabenfolie im Verhältnis zu den Spielerfeldern gezeigt. Spielt man auf dem Kopf muss man theoretisch umdenken, das macht es nicht einfacher. Eine Lösung wäre es daher, das eigene Spielfeld um 180 Grad zu drehen, so dass das Spielfeld in der Mitte und das eigene in eine Ausrichtung zeigen. Eine der Schatzkarten fordert jedoch dazu auf, das Spielfeld um 180 Grad zu drehen, dann muss man tatsächlich auf dem Kopf puzzeln. Leider gibt die Anleitung dieses Problem keine Anweisung, das hätte ich mir schon irgendwie gewünscht. Am besten löst man das Problem, wenn
alle Mitspieler 90 Grad um die Ecke denken müssen, d.h. die Aufgabe quer zu den Mitspielern auf dem Tisch platziert wird. So ist der Anspruch für alle der gleiche und die böse Schatzkarte wird zur echten Kopfnuss.
So, und an dieser Stelle muss ich dann doch auch mal meinen
Unmut um die in der Anleitung beworbene
Ravensburger Game Companion App Luft machen:
So was Schlechtes ist mir ja schon lange nicht mehr begegnet!
Spätestens ab Märchen 3 wird die Punkteauslöse z.T. recht unübersichtlich, da muss man wirklich zu Stift und Papier greifen. Eine
unterstützende App hätte hier Sinn gemacht. Dachte ich mir zumindest.
Auf den ersten Blick sieht die App auch ganz nett aus. Ich kann die vier Märchen auswählen und dann auf Start drücken. Eine virtuelle Sanduhr läuft untermalt von passender Melodie nun 45 Sekunden lang und muss dann erneut durch Start zum Weiterlaufen animiert werden. Ist ein Kapitel beendet, kann man in eine Punktetabelle springen und dort pro Mitspieler die erreichten Punkte eintragen ...
das war's!
Es ist nicht möglich z.B. Punkte über mehrere Spiele hinweg zu summieren. Wäre ja ganz witzig, wenn man in der gleichbleibenden Runde alle vier Märchen einmal durchspielt um dann am Ende den Gewinner zu küren. Punktestände werden nicht gespeichert, auch das wäre einfach möglich gewesen. Auch wäre es hilfreich, wenn sich die Märchen nicht nur in der Hintergrundmusik - die mich übrigens mehr ablenkt als hilft - sondern auch bei der Punkteberechnung pro Kapitel und Märchen unterstützen würden. Lustigerweise hat man das für die Juwelen für die Schlussabrechnung gemacht: hier kann ich auswählen wie viele Juwelen von welcher Farbe ich gesammelt habe und die App rechnet die Punkte aus. Es wäre auch schön gewesen, einen Märchenerzähler zu engagieren, der die jeweiligen Kapitel vorliest, die man in der Anleitung sonst selber lesen muss. Oder auch eine virtuelle Spielanleitung. Hier hat mir z.B. im Vergleich die
Kosmos Erkläre-App ganz gut gefallen, in der ich gezielt Regelfragen nachschlagen kann.
Ein guter Rat also an die Spielverlage da draußen: macht es richtig oder lasst es besser gleich ganz sein. Wer übrigens mal eine App sehen will, die meines Erachtens schon ganz gut supported, der sollte mal einen Blick auf die
Renegade-App werfen. Mit der spiele ich hin und wieder
Klong! im Solo-Modus und fühle mich damit sehr wohl.
Die
Altersangabe ab 10 Jahren trifft meines Erachtens voll ins Schwarze. Jüngere Spieler werden vielleicht noch das Rotkäppchen-Märchen ohne Zeitdruck wuppen, aber spätestens ab Robin Hood werden die Rätsel schon anspruchsvoller und wenn dann noch die erbarmungslose Uhr tickt, dann klappt vermutlich gar nichts mehr. Egal ob zu zwei, zu dritt oder zu viert, da alle parallel spielen und bis auf die Schatzkarten keinerlei Interaktion besteht, macht
Woodlands in allen Besetzungen gleichermaßen Spaß.
Woodlands ist ein
schönes anspruchsvolles Familienspiel, dass dank seiner
variablen Komponenten (Kartenrückseiten, Zusatzfolien und Schätze) einen guten
Wiederspielreiz hat. Da sitzt man viele Abende zusammen bis man wirklich alles aus dem FF beherrscht und die Höchstpunktezahl geknackt hat. Und dann ist es vielleicht schon so weit und es gibt eine Erweiterung mit einem Satz neuer Märchen und Folien – angesichts einem Platz auf der Empfehlungsliste nicht ganz ausgeschlossen … vorausgesetzt es finden sich genug Käufer für das Grundspiel.
Über eine überarbeitete App würde ich mich übrigens sehr freuen, noch mehr, wenn ein vernünftiger Solo-Modus integriert ist.
Vielen Dank an Frau Nadig vom Ravensburger Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Woodlands!
Spieleinfo
Alter: 10+
Spieleranzahl: 2 - 4
Spieldauer: 20 - 40 min
Verlag: Ravensburger
Erscheinungsjahr: 2018