Warum eine verbindliche Preisempfehlung bei Spielen so wichtig wäre - am Beispiel E-Mission
Da ist sie wieder, die Zeit des Jahres in denen der Einzelhandel, wie wir ihn früher kannten, mit allen Mitteln versucht den Kopf über Wasser zu halten. Die Werbemaschine der großen Anbieter schreit aus allen Ecken "Black F**k You Deals" und die kleinen Fachhändler ziehen entweder gezwungenermaßen mit oder halten dem Ganzen stand - beides wird danach schwer bereut, denn Umsatz & Gewinn fallen deutlich geringer aus und das Licht am Ende des Tunnels rückt erneut in weite Ferne.

So manche*r wird sich fragen, warum ich gerade jetzt einen solchen Post verfasse. Ganz einfach: ich habe Zeit. Es ist Samstagmorgen in der Vorweihnachtzeit und ich sitze in meinem kleinen Fachgeschäft für Brettspiele und kein Mensch schaut rein. Eigentlich sollte man meinen, dass zu dieser Jahreszeit die Leute auf den Füßen sind, um die ersten Weihnachtsgeschenke zu besorgen, aber irgendwie nicht hier. Und das, obwohl ich so viel mehr zu bieten habe als die meisten Gemischtwarenläden – nämlich eine fachliche und persönliche Beratung.

Aber ich möchte die Zeit gerne nutzen, um erneut auf ein großes Dilemma der Spieleszene hinzuweisen: den unfassbaren Preisverfall für herausragende Spiele.

Ganz konkret möchte ich dies heute am Kennerspiel des Jahres 2024 aufzeigen - E-Mission von Schmidt. Jeder normal denkende Mensch (zumindest wirtschaftlich denkende Menschen) sollte doch meinen, dass ein Spiel, das einen der wichtigsten Spielepreise der Welt ergattert hat, einem dramatischen Preisverfall standhält und gerade deshalb, weil es Kennerspiel des Jahres ist, ausschließlich zu UVP angeboten werden sollte.

Nun verhält es sich mit E-Mission so: die von Schmidt-Spiele festgelegte UVP liegt bei 77,99 €. Für die meisten Spielekäufer ein absolut unzumutbarer Preis, denn viele hängen gedanklich noch im Jahr 2000 fest. Das sollte selbst der Jury Spiel des Jahres bei Ihrer Wahl aufgefallen sein. Dennoch hat die Jury sich getraut, einem so hochpreisigen Spiel den Titel Kennerspiel des Jahres zu verleihen und damit auch ein politisches Statement zu setzen.

Aber es gibt durchaus nachvollziehbare Gründe für diesen hohen Preis: E-Mission thematisiert nicht nur inhaltlich den Versuch den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, vielmehr hat man versucht dies auch bei der Produktion des Spiels zu berücksichtigen. D.h. kein Plastik und für die deutsche Ausgabe eine nachhaltige Produktion in Deutschland. Das so ein Spiel dann in der Produktion deutlich mehr kostet als in China sollte wohl auf der Hand liegen. Zudem ist auch die Ausstattung zwar nur aus Karton, aber enthält doch relativ viele Komponenten und wer ein wenig Ahnung von guten komplexen Spielen hat, der weiß, dass man ein Spiel nicht nur auf das Material, aus dem es besteht, reduzieren sollte, sondern auch viel Arbeit und Hirnschmalz darin steckt.

Für Fachhändler wie mich ist das nachvollziehbar und wenn Menschen in mein kleines Fachgeschäft kommen und sich für das Kennerspiel des Jahres interessieren, dann erläutere ich Ihnen nicht nur gerne inhaltlich das Spielgeschehen, sondern erkläre auch, warum dieser Titel etwas mehr kostet als das durchschnittliche Plastikspiel aus China. Und ich warne: E-Mission ist ein Spiel für Kenner mit Spielerfahrung. Wer bisher nur Monopoly und Catan gespielt hat, sollte von solchen Spielen erst mal die Finger lassen und sich zunächst mit einfacheren modernen Gesellschaftsspielen auseinandersetzen.

So sorge ich über den nach wie vor hohen Preis (bei uns erhält man E-Mission für aktuell 68,90 € - und das ist das wirtschaftlich absolute Minimum) dafür, das nicht jeder dahergelaufene Gelegenheitsspieler sich übernimmt und ein Spiel kauft, dass dann nach der ersten groben Regellektüre und einer misslungenen ersten Halbpartie im Schrank verstaubt – dann ist er nämlich dahin, der Gedanke mit der Nachhaltigkeit!

Aber genau das passiert seit Wochen: bereits im September stand E-Mission breitbeinig in den Müllers dieser Welt und wurde zu einem Preis angeboten, der bei weitem nicht mehr realistisch sein konnte und by the way deutlich unter meinem Einkaufspreis lag!! Und das bereits zu einer Zeit, da stand bei den meisten Käufern Weihnachten noch gar nicht auf der Shoppinglist. Und jetzt kommt on top noch der Black F**k you Scheiß und den Käufern werden nochmal Prozente im 2stelligen Bereich hinterhergeschmissen.

Die Konsequenz: verkaufszahlenmäßig wird sich E-Mission durchaus rechnen … die Frage ist nur für wen? Und an dieser Stelle möchte ich erneut an den verantwortlichen Verlag appellieren (das hatte ich bereits in einer persönlichen eMail vor Wochen getan, auf die ich logischerweise bis heute keine Antwort erhalten habe). Wie kann es dazu kommen, wer hat das zu verantworten? Wie kann es sein, dass das Kennerspiel des Jahres schon Monate vor Weihnachten bei den großen Gemischtwarenläden dieser Welt zu absoluten Dumpingpreisen angeboten wird. Und warum bekommen kleine Fachhändler nicht die gleichen Konditionen, um da mitziehen zu können? Denn eines kann mir niemand erzählen, dass die Großen damit Miese machen. Irgendwo in der Kette muss also jemand sein, der kein Rückgrat hat, jemand der nicht vertreten kann, dass E-Mission zu UVP von 77,99 € verkauft wird!

Ich verkaufe E-Mission dennoch weiterhin, denn es ist ein wirklich gelungenes Spiel. Und ich werde weiterhin an dem "hohen" Preis festhalten - auch wenn es bedeutet, dass ich dadurch deutlich weniger Exemplare verkaufe. Aber das ist dann tragbar für mich - wirtschaftlich und ökologisch.

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